Fördermillionen für Agenten-Serie: Amerikanische Entwicklungshilfe

Die Agenten-Serie „Homeland“ wird in Berlin und Brandenburg gedreht. Die Produktion soll auch als Vorbild für hiesige TV-Seriendrehs dienen.

Komparsen warten auf das Casting zur Serie „Homeland“.

Komparsencasting für „Homeland“: Wollen alle ins Fernsehen. Foto: dpa

Claire Danes beim morgendlichen Jogging, Claire Danes mit ihrem Mann beim Einkaufen, Claire Danes beim Spielen mit ihrem Sohn. Nachdem diese Fotos in den Boulevardmedien abgebildet wurden, hörte der Spaß abrupt auf. Eine Berliner Kanzlei erklärte, dass sie von ihrer Klientin damit beauftragt seien, Unterlassungsansprüche durchzusetzen und eine hohe Geldentschädigung im sechsstelligen Bereich zu fordern.

Die Schauspielerin werde während ihres Aufenthaltes in Berlin von Anfang an von Paparazzi verfolgt, da es Zeitungen gebe, die diese Fotos auch druckten. In einem Interview mit dem Tagesspiegel erklärte Anwalt Christian Schertz, der „Paparazzi-Rausch“ habe Danes „sehr verärgert“, solche Methoden sei sie selbst aus Hollywood nicht gewöhnt.

Es war der Scheitelpunkt einer medialen Kampagne, die gut drei Wochen zuvor mit zahlreichen Berichten über ein öffentliches Casting für Statisten warmgelaufen war, nachdem bereits Ende April bestätigt wurde, dass die US-Spionage-Serie „Homeland“ mit Hauptdarstellerin Danes als Agentin Carrie Mathison für die fünfte Staffel nach Berlin verlegt würde.

Dass man im Serienentwicklungsland Deutschland nun ausgerechnet in der Kategorie „Promis nerven“ die Vorbilder aus den USA überholen würde, war jedoch sicher nicht vorgesehen, als die staatliche Filmförderinstitution Medienboard Berlin-Brandenburg entschied, die international renommierte Serie des Pay-TV-Senders Showtime mit einer Million Euro zu unterstützen und damit die Produzenten vom Standort Deutschland überzeugte.

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Kirsten Niehuus spricht zuallererst von einer inhaltlichen Entscheidung: „Wenn man in Berlin lebt, ist einem das ja nie so ganz bewusst, dass die Stadt von Außen als extrem spannender Ort wahrgenommen wird“, erklärt die Medienboard-Geschäftsführerin. „Dass wir hier eine liberale Insel in einem politisch bewegten Europa sind, wird von Außen noch einmal mehr gesehen, auch die historische Komponente. Berlin als wichtiger politischer Player in Europa, in dem Geheimdienste sicher eine Rolle spielen, die Berichterstattung über BND und NSA spricht da ja auch Bände. Das passt gut in das Profil von ‚Homeland’.“

Die vielfach ausgezeichnete Serie mit Hauptdarstellerin Danes als bipolare CIA-Agentin im Krieg gegen den Terror gehört zu den populärsten Vertretern der neuen Seriengeneration und erzählt durchaus kritisch und ambivalent von gesellschaftlicher Paranoia, Überwachungswahn und dem einhergehenden Machtmissbrauch.

Gelder für US-Serie

So gesehen ist es ein echter Coup, dass nach Filmproduktionen mit Stars wie George Clooney, Tom Hanks oder Bill Murray nun auch eine ambitionierte und international angesehene Serie in der Hauptstadt und im Umland produziert wird. Die Kritik, dass eine etablierte US-amerikanische Serie mit deutschen Fördergeldern unterstützt wird, muss man sich jedoch gefallen lassen.

Vor allem, weil der entsprechende Fond zur seriellen Förderung, der 2013 eingeführt wurde, doch eigentlich dafür gedacht ist, hiesige Serienproduktionen zu unterstützen. Niehuus weist darauf hin, dass ein deutscher Koproduktionspartner vorhanden sein müsse, wie hier mit dem Studio Babelsberg, um überhaupt gefördert zu werden und sieht den Mehrwert an anderer Stelle: „So eine horizontal erzählte Serie ist hier tatsächlich noch nicht gedreht worden, das sind neue Produktionsbedingungen. Neben einer inhaltlich vielversprechenden Serie bedeutet das auch einen großen Know-How-Transfer in der Herstellung von solchen Produktionen. Wir haben schon viel von dieser besonderen Form der Umsetzung gehört, Begriffe wie Writer’s Room oder Showrunner. So, wie es hier gemacht wird, ist es noch nie zuvor gemacht worden. Da das Team maßgeblich aus Deutschen besteht, heißt das, dass man hier eine Menge lernen kann.“

Wie viele das genau sind, verrät sie nicht, doch im Produktionsbüro falle durchaus ins Auge, dass dort „mindestens zwei Drittel“ der Mitarbeiter aus Deutschland kämen und dadurch „viele Qualitätssjobs entstanden“ seien. Zudem sei eine solche Produktion für die Hauptstadtregion natürlich auch „super Marketing.“ Nadja Radojevic, Leiterin des Erich Pommer Instituts für Medienrecht, Medienwirtschaft und Medienforschung bestätigt den indirekten ökonomischen Effekt der Filmförderung: „Mir liegen keine Informationen zum angestrebten Regionaleffekt von ‚Homeland’ vor, aber wenn man vom durchschnittlichen Regionaleffekt der Medienboard-Förderung ausgeht – der bei ungefähr 400 Prozent liegt – lohnen sich Investitionen dieser Art im Sinne der Wirtschaftsförderung natürlich.“

Europa als fiktiver Kontinent

Europa hat sich in den letzten Jahren zu einem beliebten Produktionsstandort für US-amerikanische Serien entwickelt. Hugh Dancy, Ehemann von Claire Danes und Hauptdarsteller in der Horror-Serie „Hannibal“ hat gerade in Florenz gedreht.

Besonders die erfolgreiche Fantasy-Serie „Game Of Thrones“ hat mit Nordirland, Island, Malta und Kroatien zahlreiche Drehorte, an denen die Welten des fiktiven Kontinents Westeros realisiert werden.

„Die signifikant gestiegenen Besucherzahlen des ‚Game of Thrones’-Drehorts Dubrovnik sind nur ein Beispiel dafür, welche positive Auswirkungen Serien auf den Tourismus haben können“, bestätigt Radojevic. Dass die Auswahl der Standorte dabei vor allem finanziellen Kriterien folge, sei selbstverständlich: „Internationale Produktionen zieht es dorthin, wo sie attraktive Förderung erhalten, aber natürlich auch Zugang zu gut ausgebildeter Crew, exzellenten VFX- und Postproduktionsunternehmen sowie zu interessanten Locations. Dies ist ein internationaler Wettbewerb, den sich auch die zahlreichen Steueranreizmodelle weltweit liefern.“

„Es ist also nicht so, dass es Förderung für serielle Programme nur in Deutschland gibt“, knüpft hier auch Niehuus an. „Verschiedene Bundesstaaten in den USA bieten hohe Steuervorteile, beispielsweise eben Louisiana, wo ‚True Detective’ gedreht worden ist, in New York gibt es ebenfalls ein massives Förderprogramm. Das heißt, dass diese Produktionen in ihrer Kalkulation immer schon einen gewissen ‚incentive’ mitdenken, nicht nur in Berlin.“

Diese mitgedachten steuerlichen „Anreize“ haben die hurrikangeschädigte Region um New Orleans in den letzten Jahren zu einem der beliebtesten Drehorte für Hollywoodproduktionen gemacht, Oscar-Filme wie „12 Years A Slave“, „Django Unchained“ oder „Dallas Buyers Club“ wurden hier realisiert und veranlassen Stars wie Matthew MacConaughey, der hier auch für die erwähnte und international gefeierte HBO-Serie „True Detective“ drehte, zu öffentlichen Liebeserklärungen an die Stadt.

Ob sich Berlin im Seriensektor ähnlich erfolgreich entwickelt, wird sich zeigen. Das Streaming-Portal Netflix ist „Homeland“ jedenfalls zuvorgekommen und hat hier einen Teil der Science-Fiction-Serie „Sense8“ gedreht. Allerdings ohne deutsche Koproduzenten und Förderung, dafür aber mit Regisseur Tom Tykwer. Der wiederum bereitet gerade das mit Spannung erwartete Serienprojekt „Babylon Berlin“ vor, das im nächsten Jahr realisiert werden soll. Niehuus ist sich sicher: „Die hochqualifizierten Mitarbeiter, die hier bei ‚Homeland’ ‚weitergebildet’ werden, sind dann auch bestens für deutsche Serien wie ‚Babylon Berlin’ vorbereitet.“

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