Amtseinführung in Russland: Putin „bis Ende des Jahrhunderts“

Bei seiner Amtseinführung schwört Putin das russische Volk auf seinen Kriegskurs ein. Für den Präsidenten hat das Vaterland immer den „ersten Platz“.

Ein Mann schreitet einen roten Teppich entlang

Geschäftmäßiger Pomp bei der Amtseinführung Putins in Moskau Foto: Artyom Geodakyan/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa

MOSKAU taz | Es ist das Wetter, das die Hauptrolle an diesem Tag des Prunks spielt. Und das das liefert, was die goldenen Lüster und die marmornen Säle in der russischen Herrschaftsfestung zu übertünchen versuchen. Es schneit in Moskau, als Wladimir Putin sich in seinem polierten schwarzen Aurus in den Kremlpalast kutschieren lässt. Die inszenierte Feierlichkeit des alten und neuen Präsidenten versinkt in der depressiven Stimmung über der Stadt, die Minusgrade – es sei der kälteste 7. Mai seit einem Vierteljahrhundert, sagt der russische Wetterdienst – spiegeln Hoffnungslosigkeit und den politischen Frost wider, die das Land in den kommenden sechs Jahren erwartet.

So steht Putin am Treppen­ende des Palastes, der Schneeregen prasselt auf seine Schultern, neben ihm das Rednerpult mit den nassen Mikrofonen, vor ihm steht stramm die Präsidentengarde. Die Kamera, die die Bilder seiner fünften Inauguration zeigt, präsentiert einen Präsidenten, der allein dasteht, entfremdet vom Land und seinen Menschen. Gefangen in seinem Wahn von Russlands Größe, in seinen unversöhnlichen Gelüsten, es der ganzen Welt zu zeigen.

Und wenn es sein muss, dann eben mit Atomwaffen, wie er am Vortag der Amtseinführung gedroht hatte. Eine Welt ohne Russland sei für den 71-Jährigen keine Welt, erklärt er immer wieder. Dem Dialog mit dem Westen sei er natürlich nicht abgeneigt, sagt er, „aber ohne ihre Überheblichkeit und Wichtigtuerei“. Der Westen habe die Wahl: „Will er die Aggression fortsetzen oder doch nach einem Weg der Zusammenarbeit suchen?“

Die pompöse Zeremonie lässt Putin fast schon geschäftsmäßig über sich ergehen. Lange Kamerafahrten begleiten ihn von seinem Arbeitszimmer, wo er noch schnell einen Blick in seine Dokumente wirft und sein Jackett zuknöpft, in den Heldensaal des Heiligen Georgs, durch den Alexandersaal bis in den Thronsaal des Kremls hinein. Hier legt er vor mehr als 2.600 Zu­schaue­r*in­nen – darunter auch Sol­da­t*in­nen seiner „militärischen Spezialoperation“ in der Ukraine und Kinder der gefallenen „Helden“ – seine rechte Hand auf die russische Verfassung und schwört, „die Menschenrechte und die Freiheiten jedes Bürgers zu achten und zu schützen, die Verfassung der Russischen Föderation zu verteidigen und die Souveränität und die Unabhängigkeit des Staates zu wahren“.

Wahlergebnis ist für Putin der richtige Kurs

Derweil werden Tausende Rus­s*in­nen wegen ihrer Kritik an der Regierung und der Armee verklagt, sitzen Dutzende Politgefangene in russischen Strafkolonien ein, werden etliche wegen „Extremismus“ verfolgt. Die Verfassung hatte Putin 2020 auf verfassungswidrige Weise umschreiben lassen, sodass er sich bis an sein Lebensende wiederwählen lassen kann. 87 Prozent brachte ihm die „Wahl“ im März ein. „Towarischtsch Präsident“, wie er anknüpfend an sowjetische Traditionen im Kreml genannt wird, sieht in dieser Bestätigung die „Richtigkeit“ seines Kurses.

In seiner achtminütigen Rede spricht er von „traditionellen Werten“, „Volkserhaltung“ und der „Einzigartigkeit Russlands“. „Auf den ersten Platz müssen wir immer unsere Heimat stellen“, sagt er. Der Kreml vereinnahmt mittlerweile jeden Einzelnen für den Erhalt seines Status quo. Putin stellt an die Menschen neue Ansprüche, fordert nicht mehr nur die schweigende Zustimmung, sondern macht sie zu Komplizen seines Regimes: Sie sollen für die von den Machthabern ausgemachten Helden jubeln, sollen an den russischen Sieg glauben.

„Alle zusammen werden wir siegen“, ist seine Losung. Zur „neuen Elite“ im Land sollen die werden, die sich an der Front und in den Militärfabriken fürs Vaterland aufopfern, das ist Putins Ziel. Dafür lässt er sich vom höchsten Vertreter der russisch-orthodoxen Kirche segnen. „Hoheit“ nennt ihn Patriarch Kirill in der Mariä-Verkündigungs-Kathedrale im Kreml. Wie die früheren Zaren. Er vergleicht ihn mit Alexander Newski, Russlands sagenumwobenen Nationalhelden und Heiligen der Kirche, der als Fürst von Nowgorod im 13. Jahrhundert mehrere Schlachten gewann. Putin wird nicht mit heiligem Öl bestrichen, mit Worten aber gesalbt: Kirill wünscht ihm eine „Herrschaft bis zum Ende des Jahrhunderts“.

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