Besetzungen von Hochschulen: Streit um Palästina-Proteste

Mehr als 100 Uni-Dozent:innen kritisieren in einem Brief die Räumung von Besetzungen an Universitäten. Die Wissenschaftsministerin reagiert empört.

Eine Frau diskutiert während propalästinensischen Demonstration an der Freien Universität Berlin mit einem Polizeibeamten

Eine Frau diskutiert während propalästinensischen Demonstration an der Freien Universität Berlin mit einem Polizeibeamten Foto: Sebastian Gollnow/dpa

BERLIN taz | Die propalästinensischen Proteste an der Freien Universität in Berlin dauerten nur kurz: Nach wenigen Stunden wurden sie mit massivem Polizeiaufgebot beendet. Doch sie schlagen hohe Wellen. Am Dienstag hatten rund 150 Ak­ti­vis­t:in­nen versucht, auf dem Uni-Gelände einen Hof zu besetzen und Zelte aufzubauen. Die Uni-Leitung schaltete die Polizei ein. 79 Personen wurden vorübergehend festgenommen. Es wurden 80 Strafermittlungsverfahren und 79 Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet.

Mehr als 100 Pro­fes­so­r:in­nen und Do­zen­t:in­nen von mehreren Berliner Hochschulen veröffentlichten daraufhin ein Statement: „Unabhängig davon, ob wir mit den konkreten Forderungen des Protestcamps einverstanden sind, stellen wir uns vor unsere Studierenden und verteidigen ihr Recht auf friedlichen Protest, das auch die Besetzung von Uni-Gelände einschließt“, heißt es darin.

Sie fordern die Berliner Universitätsleitungen auf, „von Polizeieinsätzen gegen ihre eigenen Studierenden ebenso wie von weiterer strafrechtlicher Verfolgung abzusehen“. Mehrere prominente Wis­sen­schaft­le­r:in­nen haben unterzeichnet, darunter die Phi­lo­so­ph:in­nen Rahel Jaeggi, Eva von Redecker und Robin Celikates, der Historiker Michael Wildt, die Soziologinnen Naika Foroutan und Sabine Hark und der Jurist Maximilian Steinbeis.

Bettina Stark-Watzinger (FDP) Wissenschaftsministerin

„Dieses Statement von Lehrenden macht fassungslos“

„Schock-Brief: Uni-Profs stellen sich hinter Judenhasser-Mob“, titelte die Bild-Zeitung. Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger sagte der Zeitung, das Statement mache sie „fassungslos“: Statt sich klar gegen Israel- und Judenhass zu stellen, würden die Uni-Besetzer verharmlost. Gerade Lehrende müssten „auf dem Boden des Grundgesetzes stehen“.

Rücktrittsforderung an Ministerin

Im Netz erntete die FDP-Politikerin dafür scharfen Protest. Ralf Michaels, Direktor am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg, antwortete ihr auf X: „Es widerspricht Ihrer Rolle als Bundesbildungsministerin, die Verfassungstreue Hochschullehrender so pauschal anzuzweifeln.“

Die Ministerin unterstelle den Unterzeichnern pauschal Antisemitismus und setze sie „der Hetze der Bildzeitung“ aus, schrieb Matthias Goldmann, Professor für internationales Recht in Wiesbaden. Kritischer Diskurs sei so nicht mehr möglich. Der Linken-Politiker und Jurist Niema Mossavat forderte Stark-Watzinger gar zum Rücktritt auf.

Zuspruch bekam die Ministerin von Berlins Regierendem Bürgermeister Kai Wegner. „Für die Verfasser dieses Pamphlets habe ich überhaupt kein Verständnis“, sagte der CDU-Politiker der Bild. Antisemitismus und Israelhass seien „keine Meinungsäußerungen, sondern Straftaten“. Schleswig-Holsteins Bildungsministerin und CDU-Vize Karin Prien zeigte sich „fassungslos“, wie Wis­sen­schaft­le­r:in­nen „auf das humanitäre Leid in Gaza verweisen, ohne die Geiseln der Hamas mit nur einer Silbe zu erwähnen“.

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, sagte, die Ak­ti­vis­t:in­nen würden von Hass auf Israel und Juden angetrieben. „Gerade von Hochschuldozenten hätte ich erwartet, dass dies zumindest klar benannt wird, wenn sich schon für diese Form des Protestes eingesetzt wird.“

Aufruf zum Boykott

Bei den Protesten an der FU waren der Slogan „From the River to the Sea, Palestine will be free“ und der Ruf nach einer „Intifada“ – Arabisch für „Aufstand“ – zu hören gewesen.

Die Gruppe „Student Coalition Berlin“ (SCB) veröffentlichte vorab auf Instagram einen Forderungskatalog. Unter anderem solle die Universität für einen sofortigen Waffenstillstand und Stopp deutscher Rüstungsexporte einstehen. Auch verlangt die Gruppe einen umfassenden kulturellen und akademischen Boykott Israels, was auch ein Ende der wissenschaftlichen Kooperationen der FU mit israelischen Universitäten bedeuten würde.

In anderen Städten gab es zuletzt weitere Protestcamps. In Bremen und Leipzig ließen die Unis sie räumen. In Köln stehen Zelte auf einer Wiese, in Hamburg gibt es eine Mahnwache.

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