CHRISTIAN SEMLER ÜBER WESTERWELLES TREFFEN MIT AHMADINEDSCHAD
: Hände und Taten

Wurde die Freilassung zweier deutscher Journalisten aus dem Teheraner Gefängnis von Guido Westerwelle zu teuer erkauft? Sicher nicht. Der Außenminister musste dem iranischen Präsidenten öffentlichkeitswirksam die Hand schütteln und sich zu einem Plausch mit ihm bequemen. Symbolische Handlungen können bedeutende politische Effekte hervorrufen. Aber kann man Westerwelles Besuch als Erfolg des international isolierten iranischen Potentaten verstehen? Ahmadinedschads Coup erwies sich als ungeeignet, einen Spalt zwischen Deutschland und die anderen westlichen Sanktionsmächte zu treiben. Westerwelle für seinen Händedruck zu tadeln wäre so, als ob dem polizeilichen Unterhändler bei einer Geiselnahme nachträglich vorgeworfen würde, die Gangster mit freundlichen Redensarten bei Laune gehalten zu haben.

Natürlich rechtfertigt auch hier das Ziel, die Befreiung der Geiseln, nicht jedes eingesetzte Mittel. Die rote Linie wäre dort zu ziehen, wo die Intervention Westerwelle der demokratischen Opposition geschadet hätte. Aber Westerwelles Händedruck wird die iranische Demokratiebewegung kaum deprimieren. Sie weiß sowieso, dass ihre verlässlichen Freunde nicht in den westlichen Regierungsbüros zu finden sind, sondern bei den solidarischen zivilgesellschaftlichen Kräften.

Jetzt hat Westerwelle erklärt, man müsse im Rahmen der „Neuen Nachbarschaftspolitik“ im Mittelmeerraum stärker auf die Einhaltung demokratischer Rechte achten. Bislang wurde bei den Assoziations- und Kooperationsabkommen der EU mit den Anrainerstaaten noch nie auf die Einhaltung der demokratischen Bedingungen gepocht, geschweige denn ein solches Abkommen ausgesetzt. Auf Westerwelles Erklärungen müssen Taten folgen – zum Beispiel gegenüber dem Libyen Gaddafis.

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