Grundsatzprogramm der CDU: Ruck nach rechts

Das neue CDU-Grundsatzprogramm riecht streng nach gestern. Das ist gut so, denn eine Zukunft haben die Volksparteien nur, wenn sie voneinander zu unterscheiden sind.

Friedrich Merz und Markus Söder

Noch geben sie sich wie die besten Freunde: Friedrich Merz und Markus Söder auf dem Bundesparteitag der CDU Foto: Michael Kappeler/dpa

Die CDU will schrittweise die Wehrpflicht wieder einführen und klammert sich an die Atomkraft. Die gravierendste Kursänderung betrifft Migration. Deutschland soll sich mit einem Ruanda-Modell Flüchtlinge vom Leib halten. Und Ausländer, die hierzulande leben, sollen sich gefälligst zu einer deutschen Leitkultur bekennen, von der niemand sagen kann, um was es sich dabei genau handelt. All das riecht streng nach gestern.

Die Post-Merkel-Partei träumt 2024 in ihrem Grundsatzprogramm von einem Land, das es schon mal gab: die Bundesrepublik der Kohl-Ära, mit Atomkraftwerken, Wehrpflicht und Ausländern, die man auf Distanz hält. Die Union bewegt sich unter Friedrich Merz nach rechts. Nicht ruckartig, aber deutlich. Dieser Retrosound entspricht der Sehnsucht der Veränderungsmüden, für die Fortschritt wie eine Drohung klingt.

Ist diese Wende von Übel? Ein Treibhaus für Ressentiments? Immer wenn Konservative ihre rechte Seite stärken, warnen Linksliberale reflexhaft, dass sie damit das Geschäft der Rechtsex­tremen betreiben und Minderheiten an den Pranger stellen. Diese Gefahr ist real. Aber sie ist nicht mehr so groß wie vor ein paar Jahrzehnten. Früher agierten PolitikerInnen eher als gate keeper, die die Grenzen des Sagbaren markierten.

In den Zeiten von Social Media und autonomen Meinungsblasen haben PolitikerInnen diesen Einfluss nicht mehr in diesem Maß. Die CDU tut aus zwei Gründen das Richtige. Ihre Rechtswende nutzt ihrer Kenntlichkeit – und die nutzt dem bundesdeutschen Volksparteien­system. In der Ära Merkel sind die Unterschiede zwischen Union und SPD verschwommen. Beide Parteien wirkten wie Flügel einer Staatspartei.

Mit Merz gegen die AfD

Eine Zukunft haben die Volksparteien nur, wenn sie wieder klare Alternativen bilden – moderat rechts und moderat links. Die Bundesrepublik ist mit dem Volksparteiensystem gut gefahren. Was danach kommt, wird populistischer, nervöser, hysterischer. Zweitens: Es gibt eine migrationsskeptische Stimmung, egal, ob die CDU von Leitkultur redet. Diese Skepsis ist eine Reaktion auf das rasende Veränderungstempo der letzten Jahrzehnte und hat den ganzen Westen erfasst.

Eine Mitte-rechts-Partei, die das ignoriert und nicht einzuhegen versucht, erzeugt ein Vakuum, in dem sich Rechtsextreme noch mehr ausbreiten. Ja, das ist ein Balanceakt. Abstürze, wie Merz’ Gepolter gegen ukrainische „Sozialtouristen“, sind jederzeit möglich. Aber die AfD mit einer freundlichen Daniel-Günther-Partei zu bekämpfen, die fast klingt wie die Grünen – wäre das aussichtsreich?

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Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

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