Schwund der Artenvielfalt: Woher weiß die Wissenschaft das?

Unbekannte Arten sterben aus und werden neuentdeckt. Wie der braune Klumpen, den sie „mystery species“ nennen. Wir haben da ein paar Fragen.

Galertartiges Lebewesen im Meer

Neue Art aus der neuseeländischen Tiefsee Foto: Ocean Census

Aussterbende Arten liegen im Trend, Wissenschaftler sprechen sogar vom „Massenaussterben“. Der letzte Exo­dus ähnlichen Ausmaßes fand vor über 66 Millionen Jahren statt, bei dem unter anderem die Dinos dran glauben mussten. Zurzeit sterben pro Tag über 150 Arten, darunter solche, die bisher noch gar nicht bekannt sind – sagt die Wissenschaft, unter anderem der Zoologe Matthias Glaubrecht, Autor des Buchs „Das Ende der Evolution“.

Ende, Untergang, aus und vorbei – ich will natürlich nichts davon bestreiten, ahnungslos wie ich in Sachen Arten bin. Aber auch wenn ich keine Ahnung von Arten hab, hab ich Fragen zu den Arten, von denen die Wissenschaft keine Ahnung hat.

Vor allem eine: Wie lässt sich feststellen, dass eine Art ausgestorben ist, die man zu ihren Lebzeiten gar nicht als Art identifiziert hat? Braucht es dazu nicht mindestens einen Leichnam samt Obduktionsbericht? Oder organisieren die Überlebenden eine Art öffentliches Begräbnis für ihre aussterbenden andersartigen Artgenossen und schalten Todesanzeigen?

Und selbst, wenn es irgendwas davon gäbe, woher weiß die Wissenschaft, dass von der von uns gegangenen unbekannten Art nicht noch mindestens ein weiteres Exemplar an einem unbekannten Ort ausartet?

Ein brauner Klumpen, den sie „mystery species“ nennen

Glücklicherweise sterben unbekannte Arten aber nicht nur aus, sondern es werden auch neue entdeckt. Diese Woche zum Beispiel hat ein Forschungsteam behauptet, auf einer Expedition im Meer östlich von Neuseeland 100 bisher unbekannte Arten gefunden zu haben, darunter etliche Weichtiere, drei Fische, eine Garnele, einen Kopffüßer, eine Koralle und eine bisher unbestimmte Art.

Es ist ein brauner Klumpen, den sie „mystery species“ nennen und den sie erst mal der Kategorie „Blob“ zugeordnet haben. Ein Blob ist ein bisher nicht ganz verstandener Einzeller, irgendwas zwischen Pilz und Tier, hat 720 Geschlechter, keinen Magen, aber Hunger.

Der Fundort ist der 800 Kilometer lange Bounty Trough, eine Senke in Zealandia, dem unterseeischen Gebiet, das aus der Aufspaltung des Superkontinents Gondwana entstand, wie auch Südamerika, Afrika, die Antarktis, Indien und Australien.

Beauftragt wurde die Expedition von Ocean Census, einer internationalen Vereinigung von Wissenschaftlern, die eine Volkszählung der Unterwasserbevölkerung durchführen. Kein Scheiß. Nach Angaben von Ocean Census sind bis zu 90 Prozent der maritimen Lebewesen nicht bekannt.

90 Prozent?

Ich bin zwar eine Arten-Ahnungslose, aber 90 Prozent ist ziemlich viel, oder? Ich frage mich: Was zur Qualle kann uns die Unterwasserwissenschaft eigentlich über die Gesellschaft der Ozeane erzählen, wenn sie so gut wie gar nichts über deren Lifestyle weiß? Und was ich auch nicht verstehe: Woher weiß die Wissenschaft, wie viel von dem, was sie weiß, eigentlich Nichtwissen ist? Mit anderen Worten: Mit welchen Unbekannten rechnen die Wissenschaftler unbekanntes Wissen aus?

Wer Blobs sucht, ist bei der SPD falsch

Der Grund, warum die große Unbekannte jetzt bekannt werden muss: Nur, wer jedes Rädchen in den Betreiberfirmen der Ozeane kennt, kann sie auch retten, also die Ozeane und damit auch die Rädchen.

Warum ich ausgerechnet in dieser Woche den wertvollen Platz hier verschwende, um ahnungslose Fragen über unentdeckte Arten zu stellen? Weil ich nach zwei Jahren Russlandkrieg gegen die Ukraine auch in dieser Woche nichts Unbekanntes von der SPD gehört habe.

Es gibt in der SPD keine unentdeckten Arten, keine mystery species, keinen Blob. Da bin ich mir zu 99 Prozent sicher. Wie diese Partei funktioniert, ist detailliert bekannt, und es findet sich immer wieder ein Rädchen, das die Reihen schließt. Deshalb wird die SPD weiter vor sich hin wesen und nicht aussterben.

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Seit 2012 Redakteurin | taz am Wochenende. Seit 2008 bei der taz als Meinungs, - Kultur-, Schwerpunkt- und Online-Redakteurin, Veranstaltungskuratorin, Kolumnistin, WM-Korrespondentin, Messenreporterin, Rezensentin und Autorin. Ansonsten ist ihr Typ vor allem als Moderatorin von Literatur-, Gesellschafts- und Politikpodien gefragt. Manche meinen, sie kann einfach moderieren. Sie meint: "Meinungen hab ich selbst genug." Sie hat Religions- und Kulturwissenschaften sowie Südosteuropäische Geschichte zu Ende studiert, ist Herausgeberin der „Jungle World“, war Redakteurin der „Sport-BZ“, Mitgründerin der Hate Poetry und Mitinitiatorin von #FreeDeniz. Sie hat diverse Petitionen unterschrieben, aber noch nie eine Lebensversicherung.

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