Spionage für China: Mission Machterhalt

Drei mutmaßliche chinesische Agenten sind in Deutschland festgenommen worden. Mit 250.000 Spionen versucht Peking in aller Welt Einfluss zu nehmen.

Bildmontage: Auf einer Festplatte ist ein Chip mit der chinesischen Flagge verziert

„Neben politischer Spionage zeichnet sich chinesische Spionage insbesondere durch einen starken Fokus auf Technologie aus“ Foto: Science Photo Library

Chinas Spionage im Ausland hat sehr unterschiedliche Formen, aber stets als oberstes Ziel den Machterhalt der Kommunistischen Partei. Diesen versucht sie durch den weiteren Aufstieg der Volksrepublik zum führenden Land in Wirtschaft, Technologie und Militär abzusichern. Entsprechend soll Spionage Wissen aus diesen Bereichen von anderswo abschöpfen, dort politische Entscheidungen beeinflussen sowie ein positives Bild von Chinas Politik in erzeugen.

„In Deutschland stehen die Ziele Politik und Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Technik sowie Militär im Fokus der chinesischen Dienste, außerdem werden oppositionelle Gruppen bekämpft“, heißt es in einem Bericht des Bundesverfassungsschutzes. Für die Realisierung seiner ambitionierten Industriepolitik kauft China „ganz oder teilweise deutsche Unternehmen der Spitzentechnologie und wirbt gezielt Wissensträger an“.

China Geheimdienst MSS überwacht die eigenen Staatsbürger im Ausland und bekämpft die Aktivitäten politischer Dissidenten, Tibeter, Uiguren, Hongkonger und Anhänger der Falun-Gong-Sekte. In Deutschland ist insbesondere der in München ansässige Weltkongress der Uiguren Ziel chinesischer Spionage.

„Neben politischer Spionage zeichnet sich chinesische Spionage insbesondere durch einen starken Fokus auf Technologie aus“, sagt Antonia Hmaidi, Senior Analystin beim Berliner China-Forschungsinstitut Merics, zur taz. „Dabei kommt es aus deutscher Sicht zu einer Vermischung von politischen und wirtschaftlichen Zielen, da die chinesische Regierung Innovation als klares Ziel definiert hat.“

Der Trick mit den privaten Firmen

Als Technologieland ist Deutschland für China insbesondere in den zehn Bereichen für Industriespionage interessant, in denen die Volksrepublik laut seiner Strategie „Made in China 2025“ die globale Führung anstrebt:

Meerestechnik und Schifffahrt, Schienenverkehrstechnik und Eisenbahn, neue Energien und alternative Antriebe, neue Werkstoffe, Landwirtschaft, Medizintechnik, elektrische Ausrüstung, Industrierobotik, neue Informationstechnologie sowie Luft- und Raumfahrttechnik. Doch laut Verfassungsschutz sei mittlerweile eigentlich „kein Wirtschaftszweig mehr vor Chinas Spionen sicher“.

Oft erfolgt die Wirtschafts- und Technologiespionage über Privatfirmen. „Grundsätzlich ist es für chinesische Spione attraktiv, deutsche Firmen mit einzubeziehen, da diese oft weniger strengen Überprüfungen unterzogen werden als chinesische Firmen“, sagt China-Forscherin Hmaidi. Auch beim Hacking greift China gern auf private Firmen zurück, um die staatliche Verantwortung leichter dementieren zu können.

Das 2017 vom Volkskongress verabschiedete Nationale Geheimdienstgesetz gibt Chinas Behörden die Befugnis, auch im Ausland chinesische Einzelpersonen, Firmen und Organisa­tionen zu nachrichtendienstlichen Tätigkeiten wie Ausforschung- und Informationsbeschaffung zu verpflichten.

Auch Abgeordnete unter den Spähern

Spätestens seitdem werden chinesische Wissenschaftler, Doktoranden und Werkstudenten an ihren Gastuniversitäten und Forschungsinstituten mit Misstrauen beäugt. Auch Wissenschaftler mit Verbindungen zur Volksbefreiungsarmee versuchten unter Verschleierung ihrer Herkunft Know-how für das chinesische Militär heranzuschaffen, warnt der Verfassungsschutz.

Aufgeflogen sind in den letzten Jahren auch verdeckte chinesische Einflussversuche in europäischen Parlamenten. So hatte laut Recherchen des Spiegels und anderer Medien der rechte belgische Abgeordnete Frank Creyelman im Auftrag des chinesischen Geheimdienstes zwischen Juni 2019 und November 2022 in Form verdeckter Operationen Veranstaltungen im Europäischen Parlament gestört, chinakritische Wissenschaftler denunziert oder bestimmte Anfragen ins belgische Parlament eingebracht.

Erst an diesem Montag wurden ein Mitarbeiter des britischen Parlaments und ein britischer Wissenschaftler in London wegen Spionage für China angeklagt.

Im November 2023 hatte der französische Parlamentsausschuss für Nachrichtendienste vor Chinas Einmischung in Europa gewarnt und sie mittelfristig als größte Bedrohung ausländischer Einflussnahme bezeichnet. Dabei wurde auch auf die außergewöhnliche Größe des chinesischen Auslandsgeheimdienstes von über 250.000 verwiesen.

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