Wahlerfolg der Kommunisten in Österreich: Ein Label, kein Parteiapparat

Die Wahlerfolge der KPÖ+ in Graz und Salzburg sind nicht so sehr Ausdruck eines Linksrucks. Sie sind eher Symptom für ein tiefes Misstrauen.

Wahlplakat der KPÖ+ mit Michael Dankl, auf dem Plakat steht: Helfen statt Kassieren, sozial auch nach der Wahl

Erfolg ohne spektakuläre Werbung: Wahlplakat der KPÖ+ Foto: Manfred Siebinger

Zum Bürgermeister von Salzburg hat es dann doch nicht gereicht. Aber aus der Stichwahl ging der kommunistische Kandidat als Vizebürgermeister hervor. Nach Graz wird nun schon die zweite österreichische Stadt kommunistisch (mit)regiert. Ein Linksruck in den Alpen?

Ausgerechnet der konservative Altkanzler Wolfgang Schüssel hat den Punkt getroffen. Seine Reaktion auf den Wahlerfolg von Kay-Michael Dankl, Spitzenkandidat der KPÖ+: „Dieses Label ist toxisch.“ Aber nicht „toxisch“ trifft es – sondern „Label“.

Für den historischen Kommunismus war seine Bezeichnung kein Label – kein Etikett für eine Verpackung. Für die KPÖ+ hingegen ist es genau das: ein Label.

Alle Kommentatoren stürzen sich nun darauf und fragen: Warum behalten die diesen Namen? Aber die neuen KPler bewohnen diesen Namen in vielerlei Hinsicht nicht oder nicht in der alten Weise. Bevor man das wertet, sollte man die Differenzen betrachten.

Eine linke Mitmachplattform

Die KPÖ+ ist keine leninistische Partei. Vielmehr hat eine linke Mitmachplattform mit der KPÖ fusioniert. Es ist also eine Bewegung und eine Allianz – kein zentralistischer Parteiapparat.

Diese Allianz hat kein umfassendes Politikkonzept, sondern nur eine Agenda: soziale Politik mit Schwerpunkt Wohnen. Politik als direkte Intervention in die unmittelbare Lebenswelt also. Weshalb das Lokale ihr Gebiet ist. Zum Nicht- oder Neubewohnen des alten Namens gehören auch zwei Abwesenheiten.

Da ist zum einen die bemerkenswerte Abwesenheit von Nostalgie. Das Tragen des Namens KP scheint nicht verbunden mit einer elegischen Sehnsucht nach alten Zeichen und Zeiten. Dazu gehört auch Kay-Michael Dankls Auftreten: Kein Dialekt. Keine Arbeiterromantik. Keine Klassenkampfrhetorik. Sein Auftreten ringt auch bürgerlichen Kommentatoren die Bezeichnung „sympathisch“ ab. Um das abzuwehren, wird dann sofort das „böse Wort Kommunismus“ gegen Herrn Dankl ins Treffen geführt. Als Exorzismus gegen die Sympathie.

Wenn Dankl sich auf eine kommunistische Tradition bezieht, dann auf eine sehr spezielle – etwa jene auf zwei Widerstandskämpferinnen. Die antifaschistische Tradition der Kommunisten wird an zwei Frauen geborgen. Das ist nicht die Tradition einer Massenorganisation, sondern die einzelner Kämpferinnen.

Seltsam theoriefern

Die zweite bemerkenswerte Abwesenheit ist die von Theorie. Der Sozialdemokrat Babler wurde für das „Eingeständnis“ seiner Marx-Lektüre gebasht – die erfolgreiche KPÖ+ hingegen ist seltsam theoriefern. Dankls offenherziges 30-maliges Scheitern an einer Lektüre des „Kapitals“ ist kein Zufall. Wertfrei betrachtet zeugt das ebenso von Beharrlichkeit wie von Theorielosigkeit. Man kann das gut oder schlecht finden – in jedem Fall entspricht das einer Politik der konkreten Intervention.

Ist der Name KP also ein „Etikettenschwindel“, eine „kulturelle Aneignung“ wie ein Kommentator ironisch meinte?

In jedem Fall leistet er einer Sache Vorschub: dem flächendeckenden Kolportieren vom „Gespenst des Kommunismus“. Allerorten steht: Das Gespenst sei zurückgekehrt, ein Untoter sei auferstanden. Aber Marxens berühmtes Wort: „Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Kommunismus“ gab nur die Angstvision seiner reaktionären Gegner wieder. Die Rede vom Gespenst traf also schon in Bezug auf den historischen Kommunismus nicht zu – weshalb es eben eines „Manifests“ bedurfte, um dem „Märchen vom Gespenst des Kommunismus“ entgegenzutreten.

Ein Retro-Feindbild

Und auch heute entspricht die Rede vom Gespenst keiner Realität, sondern dient vielmehr einem Retro-Feindbild.

Den neuen Trägern hingegen dient die Bezeichnung eher zum Markieren einer Differenz – jener zu den übrigen Parteien. Das mag man gut finden oder nicht – je nach politischer Position.

Klar ist aber, dass die Wahlerfolge in Graz und Salzburg nicht so sehr einem prononcierten Linksruck entsprechen – sondern eher einem Symptom. Die Wahl einer Differenz, einer ganz anderen politischen Position ist Indikator für ein tiefes Misstrauen gegen alle anderen politischen Bewerber.

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